Willkommen auf der Reiseseite der Ziganka
 

Travel Report - 22.04.09

Endlich ist es soweit!
Nach monatelanger Schiffsarbeit beginnt das Packen. Was nehmen wir mit 3 Jahre in die Welt hinaus? Und vor allem - wieviel passt in unser 20 qm kleines zukuenftiges Zuhause? Welche Dinge sind wirklich wichtig? Hier gibt es doch erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Waehrend Volker ueberlegt, auf welches Werkzeug er schweren Herzens verzichten kann, mache ich mir Gedanken ueber eine Weihnachtstischdecke! Einig sind wir uns ueber Kuechenutensilien und alle anderen Dinge des taeglichen Gebrauchs, fast einig ueber die Anzahl der Buecher und die Menge des Spielzeugs. Und dann der Einkauf der Lebensmittel - ein Abenteuer fuer sich! Wieviel brauchen wir wovon? Wie verpacken und wo verstauen wir es? Ich habe noch nie so viele verschiedene Supermaerkte besucht.
Nachdem wir zu Hause wochenlang ueber Konserven, Seile, Taschen, Kisten und to-do-Listen gestiegen sind, wird am 22. Juli nun endlich das Schiff beladen. Dank Rudi und seinen Jungs mit den Sackkarren haben wir die Ladung schneller als geplant am Steg. Aber nun beginnt die eigentliche Arbeit - das Verstauen von zuviel Gepaeck und zuviel Proviant auf zu kleinem Raum. Und es geschieht, woran wir nicht mehr geglaubt haben - nachts um 2.00 Uhr ist alles verstaut, allerdings einiges mehr schlecht als recht, so dass Volker seine Koje in den ersten zwei Wochen mit einem halben Kubikmeter Ausruestung und Buechern teilen musste. Durch die Zuladung hat sich der Tiefgang des Schiffes soweit vergroessert, dass die Ziganka beim Auslaufen nach einer halben Meile das erste und bis jetzt einzige Mal Grundberuehrung haben sollte. Wir fallen alle total erschoepft ins Bett, um 4.00 Uhr ist Wecken!
Nach langer Zeit des schlechten Wetters und der Tiefdruckgebiete haben wir am Morgen des 23. Juli 2008 endlich das langersehnte Segelwetter. Mit Hoch "Volker" beginnt nun das Abenteuer. Die Crew besteht an diesem Tag zunaechst aus Volker, Jessica und Carl. Annemarie und ich haben uns entschlossen, den ersten Strapazen zu entgehen und erst da zuzusteigen, wo es warm ist. Im Kopf haben wir dabei die Kanarischen Inseln. Also stehe ich morgens um 5.00 Uhr nach einer kurzen, aber sehr emotionalen Verabschiedung am Steg und winke. Und mit mir etwas wehmuetig Stefan, Rudi, Christine, Sievert, Ellin und Aschi Meeder. Wolf und Andrea Kapretz und Walter Boenisch eskortieren die Ziganka aufs offene Meer in einen wunderbaren Sonnenaufgang. Welch ein Bild und was fuer Emotionen bei den Zurueckgebliebenen!
An dieser Stelle wird es Zeit, sich bei allen zu bedanken, die geholfen haben, dafuer dass die Ziganka in See stechen konnte.
Zunaechst einmal ganz besonders danke fuer Eure bedingungslose Liebe, Mami und Papi, und fuer die Hilfe immer und zu jeder Zeit, auch wenn es nicht immer ohne Emotionen ging.
Danke Stefan fuer die viele Freizeit, die Du unserem Traum geopfert hast, fuer die akuraten elektrischen Schaltungen, die Unterstuetzung in letzter (naechtlicher) Stunde, auch wenn nur wenige Stunden spaeter in Kiel eine Klausur anstand!
Martin, auch vielen, vielen Dank fuer die endlosen Computernachhilfestunden und die telefonische Notfallversorgung!
Auch Dir, Onkel Wolfgang, danke fuer Deine Lackierhilfe bei Minustemperaturen (im uebrigen mit fabelhaftem Ergebnis!) und Dir, Tante Gitti, fuer das leckere Abendessen danach!
Iris und Rudi - danke fuer eure liebevolle Freundschaft und die moralische Unterstuetzung in allen Lebenslagen. Und Danke fuer die zahllosen Haehnchen, die auf die Ziganka geflattert kamen!
Danke Ellin und Sievert - fuer die zahllosen Wochenenden bei jedem Wetter, fuer die vielen Stunden zusammengefaltet in den Wassertanks, fuer die Ideen und Hilfe bei kniffligen technischen Problemen!
Toll die handwerkliche Umsetzung unserer Ideen in Kueche und Koje, danke Dieter! Wir fuehlen uns bei Seegang in userer Koje sicher, und ueber die Geschirrregale freuen wir uns jeden Tag! Dein groesster Hit ist aber der von vielen Seglern bewunderte Sitz hinter dem Ruder! Teuer genug war er ja!
Danke Andreas fuer die zahlreichen komplizierten Schweissarbeiten, alle Naehte halten! Und der groesste Clou, der kardanisch aufgehaengte Kindersitz erfreut Annemarie jeden Tag!
Harald und Carl - danke fuer Eure staendige technische Beratung und Hilfe, auch wenn Euch der Schlick in Hooge bis zum Bauchnabel stand! Harald, die von Dir eingebauten neuen Wellenlager halten bis heute dicht!
Und Carl, danke fuer Deine Begleitung bis Falmouth, und Volker entschuldigt sich hiermit vielmals fuer das Wetter und den Currywurst-Kartoffeleintopf!
Carl-Eugen, Deine "Neuinstallationen" von Cmap und Amosconnect in letzter Minute haben sogar Windstaerke 8 und eindringendem Salzwasser bei 5 Meter hoher, brechender See weitgehend widerstanden. Geblieben sind nur zwei schwarze Flecken und einige Streifen auf dem Bildschirm.
Danke Andrea und Wolf fuer Eure Begleitung und die erste Mahlzeit an Bord, ein wunderbarer Kuchen!
Liebe Susi, ein dickes Dankeschoen an Dich, Du weisst schon, warum!
Und danke allen, die uns bestaerkt und uns Glueck gewuenscht haben!

Wie der erste Teil der Reise bis Falmouth und entlang der franzoesischen, spanischen und portugiesischen Atlantikkueste, von Lissabon nach Madeira bis schliesslich zu den kanarischen Inseln verlief, habt Ihr ja in Volkers Reiseberichten gelesen. Und Dank Kevin und Ned in Falmouth, Mario in Lissabon, Jean Paul in Puerto Calero und Ed in Puerto Rico waren die entscheidenden Reparaturen getan und Annemarie und ich konnten auf Lanzarote an Bord gehen. Und hier beginnt nun mein Teil der Reise.
Wir haben so lange gewartet und uns auf die gemeinsame Reise gefreut, aber ich hatte zunaechst mit der Enge und dem Platzmangel fuer den Inhalt unserer zwei grossen Reisetaschen zu kaempfen. Aber nach einigen Tagen, als alles verstaut war, hatte ich mich an das Bordleben gewoehnt, die Handgriffe beim Kochen, Klamotten suchen und Windeln wurden routinierter, alles hatte endlich seinen Platz gefunden. Unser Baby fand es hier an Bord von Anfang an toll - viele neue Dinge, die man auf dem Boot unbedingt auskundschaften musste, ganz neue und fabelhafte Klettermoeglichkeiten, ein Bett, das einen in den Schlaf schaukelt und immer jemand nur fuer sie da, da man sie keinen Moment aus den Augen lassen konnte. Nur die Schwimmweste kam ihr wie eine Zwangsjacke vor, die sie aber notgedrungen mittlerweile akzeptiert. Ihre ersten Segeltoerns hat sie fast alle verschlafen, auch wenn das Schiff ordentlich geschaukelt hat.
So haben wir zusammen die kanarischen Haefen und ein bisschen das Landesinnere erkundet. Jede Insel hat ihren besonderen Reiz, aber entsprechend des vulkanischen Ursprungs sind sie ueberwiegend sehr karg. Aufgefallen sind uns auch die sterilen, gleichfoermigen Ferienwohnsiedlungen, immer mit Pool, obwohl das Meer direkt vor ihnen liegt. Man sieht hier ueberwiegend sonnenhungrige Touristen, aber uns fehlte einheimisches und landestypisches Leben. Das lernten wir erstmals im erstaunlich gruenen Norden Teneriffas kennen. Man hatte das Gefuehl, hier lebt die Insel. Und natuerlich besuchten wir den Loro-Park, wo mich am meisten die Schow der Orkas begeisterte. Die grossen Tiere so geschmeidig zu sehen, war ein Erlebnis. Faszinierend waren die Pinienwaelder auf dem sehr kurvigen Weg zum schneebedeckten Gipfel des Teide, dem hoechsten Berg der Inseln (3717 m).
Fuer mich am reizvollsten ist aber noch immer das kleine La Gomera! Auf dieser beeindruckend gruenen Insel findet man ueber 2000 Pflanzenarten. Einen ganzen Tag lang wanderten wir durch den immergruenen Nebelwald im Herzen Gomeras, im Parque Nacional de Garajonay. Zwischen wilden zerkluefteten Bergen findet man einen Mischwald aus grossen Lorbeerbaeumen und Baumheide. Die Passatwinde, Vientos alisios, garantieren zusammen mit dem Kanarenstrom einen immerwaehrenden Fruehling. An den Berghaengen des Nordostens werden die feuchtkalten Passatwolken zum Aufsteigen gezwungen, verwirbeln mit den hoeheren waermeren Luftschichten und befeuchten dadurch die Nordosthaenge der Insel. Obwohl auch hier zunehmend gebaut wird und viele der urspruenglichen Bergdoerfer mit ihren kleinen weissen Haeusern verlassen sind, umweht Gomera noch der Hauch der Aussteigerinsel.
Ausserdem hat jede Kanareninsel ihren eigenen Wein und jeder anders, wie wir in vielen weinseligen Stunden mit Hafenfreunden feststellten. Fasziniernd auch die Art des Weinanbaus auf dieser unwirtlich erscheinenden Vulkanerde, deren Reichtum an Mineralien und Naehrstoffen sich die Geschickten zu nutze machen.
Und wer mit Kindern auf die Kanaren faehrt, dem wird auffallen, wie ausgesprochen kinderfreundlich die Menschen hier sind. Ob es die Kellner im Restaurant sind oder voellig fremde Menschen auf der Strasse und am Strand, die Verkaeuferin an der Kasse. Wo wir auch mit unserer Kleinen hinkamen, ueberall oeffneten sich die Herzen und sie freuten sich ueber sie und spielten mit ihr. Zudem findet man ueberall liebevoll gestaltete Spielplaetze.
So unterschiedlich die Inseln, so verschieden sind auch ihre Haefen. Mal sehr modern, sauber und teuer, dann wieder kleine Haefen ohne Infrastruktur, aber oft mit ausgesprochen freundlichen und hilfsbereiten Marinamitarbeitern, besonders in San Miguel auf Teneriffa!
Und auch das Leben im Hafen hat seinen Reiz. Neben dem Hoffen, dass die Sanitaeranlagen sauber sind, und man beim Duschen auch warmes Wasser hat, lernt man doch viele unterschiedliche und interessante Menschen kennen. Man wundert sich zunaechst, dass es noch andere Verrueckte gibt, fuehlt sich dann aber schnell unter Gleichgesinnten, weil einem in den Erzaehlungen die Freuden und Probleme doch haeufig sehr bekannt vorkommen. Und ploetzlich ist da jemand, der einen neuen Tip hat, wie man an Wetterdaten kommt oder wie das Brot beim Backen besser aufgeht. Alle profitieren vom Erlebten und Erfahrenen anderer, man hilft sich gegenseitig und immer wieder wird auf die Seefahrt getrunken! Und wenn man sich in einem der naechsten Haefen mal wieder trifft, dann gibt es ein grosses Hallo und man fuehlt sich wie unter alten guten Freunden. Vor unserer Ueberfahrt zu den kapverdischen Inseln habe ich Annemarie fuer ein paar Wochen zu meinen Eltern gebracht, weil wir doch laengere Zeit am Stueck auf dem Wasser sein werden. Schwerer Abschied fuer Mama und Papa, das Baby hat sich nach dem Sommer in Lohsa schnell wieder dort eingelebt und gleich klargestellt: Alles hoert auf mein Kommando!!!
Wieder an Bord ist auf Gomera auch unser Mitsegler fuer den Atlantiktoern zugestiegen. Nachdem das Schiff klargemacht und der frische Proviant verstaut war, legten wir am Donnerstag, den 27. November 2008 um 13.00 Uhr in San Sebastian ab. Winken und viele gute Wuensche von denen, die erst nach uns aufbrechen, begleiten uns. Es war ein bisschen Gaensehautfeeling und mir war dann doch etwas unheimlich zumute vor meinem ersten langen Toern auf dem Ozean. Es ist ein nicht zu beschreibendes Gefuehl, die Sicherheit des Hafens zu verlassen und in die Ungewissheit zu fahren.

- Gottes sind Wogen und Wind, Segel aber und Steuer, dass ihr den Hafen gewinnt, sind euer. (Gorch Fock) -

Gluecklicherweise blieb ich dank eines Scopolaminpflasters von der gefuerchteten Seekrankheit verschont, obwohl wir rollende See mit 2-3 Meter hohen Wellen von hinten hatten. Die Ziganka schaukelte ziemlich und am Ende der Woche hatte ich einige blaue Flecke. Leider wurde unser 3. Mann an Bord richtig seekrank und fiel 3 Tage aus, so dass Volker und ich uns die Nachtwachen teilen mussten. Und so kam ich zu meiner ersten Wache nachts, alleine im Cockpit, ueber mir ein unendlicher Sternenhimmel mit immer wieder fallenden Sternschnuppen in sonst rabenschwarzer Dunkelheit. Wasser und Wellen sah man nicht, man konnte sie nur erahnen. Der Wind war eher wenig und gleichmaessig. Und wider Erwarten war es nicht unheimlich, ich hatte zu keiner Zeit Angst. Die Nacht verging schnell, obwohl ich wegen der Schiffsbewegung kaum schlafen konnte. Der erste Tag war etwas bedeckt, die Sonne sahen wir wenig. In der zweiten Nacht erlebte ich das erste Mal die Faszination des Meeresleuchtens. Es ist, als wuerden tausend Sterne auf der Gischt davongetragen! Man muss es immer wieder anschauen.

- Es erstrahlt unter der Sonne, und jeden Abend scheint es mit ihr zu sterben. Und wenn sie verschwunden ist, faehrt es fort, ihr nachzutrauern, etwas von ihrer lichtvollen Erinnerung zu bewahren, vor dem Angesicht der eintoenig finsteren Erde. Es ist der Augenblick seiner melancholischen und so sanften Spiegelungen, dass man bei ihrem Anblick spuert, wie das Herz schmilzt. Wenn es fast voellig Nacht geworden ist und der Himmel finster ueber der in Schwaerze getauchten Erde steht, leuchtet es noch schwach, man weiss nicht durch welches Mysterium, durch welche Reliquie des Tages, die in seinen Fluten begraben liegt. (Marcel Proust, Das Meer) -

In dieser Nacht kreuzten gleich drei Schiffe unseren Weg. Dann blieben wir fuer den Rest unserer Reise allein. So vergingen Tag und Nacht relativ schnell und mit dieser unendlichen Weite um mich und einem guten Buch habe ich mich auch nicht gelangweilt.
Am ersten Advent sahen wir dann einen strahlend blauen Himmel mit lauter kleinen weissen Woelkchen - die ersten Passatwolken!

Wolken, leise Schiffe, fahren
ueber mir und ruehren mich
mit den zarten, wunderbaren
Farbenschleiern wunderlich.

Aus der blauen Luft entquollen,
eine farbig schoene Welt,
die mich mit geheimnisvollen
Reizen oft gefangen haelt.

Leichte, lichte, klare Schaeume,
alles Irdischen befreit,
ob ihr schoene Heimwehtraeume
der befleckten Erde seid?

                                          (H.Hesse)

Am Vormittag des letzten Tages waren wir alle schon etwas aufgeregt, heute sollten wir wieder in einem Hafen schlafen. Und da sahen wir ploetzlich jede Menge Delfine, die unsere Ziganka ein ganzes Stueck begleiteten. Sie fuehrten uns all ihre Kraft und ihr Koennen vor, sprangen neben uns paarweise durchs Wasser oder machten einen Salto direkt vor unserem Bug. Wenn man sich bewusst macht, dass das wilde Tiere sind, dann spuert man ganz intensive Lebensfreude! Wir waren noch den ganzen Tag begeistert, und es mischte sich schon die Vorfreude auf den Hafen darunter. Am Mittwochnachmittag, den 3. Dezember 2008, sahen wir endlich Land, und gegen 17.00 Uhr liefen wir in die Bucht von Palmeira auf Ilha do Sal ein und warfen den Anker. Endlich im sicheren Hafen, nach ca. 800 Seemeilen haben wir die Kapverden erreicht!
Vom Wasser sah unser Landeplatz wuest und unscheinbar aus, grosse Berge wie von Wuestensand und einige bunte Container. Nicht sehr einladend, wir bedauerten fast schon, diesen Ort angelaufen zu haben. Aber wir fuehlten uns sofort heimisch, als wir am Ankerplatz die vielen Segelschiffe sahen, die hier ausruhten! Langsam wurde es dunkel und da es keine Stege gab, blieben wir an Bord, kochten und tranken ein Glas Wein auf die glueckliche Reise. Dann gingen wir ziemlich erschoepft in unsere Kojen. Am naechsten Morgen eines wunderbar sonnigen Tages sahen wir eine kleine Ortschaft mit einem kleinen Anleger fuer Fischerboote und die Dingis der ankernden Schiffe. Wir waren neugierig und mussten ausserdem einklarieren, und so machten wir das Schlauchboot einsatzbereit und Volker ruderte uns an Land. Eine voellig fremde Welt empfing uns hier, wir hatten Europa verlassen. Es wirkte ein bisschen wie die Karibik vor 50 Jahren. Alles geht hier gemaechlicher zu als bei uns. Der Polizist, bei dem wir eincheckten, sass gemuetlich zurueckgelehnt vor dem Fernseher und schaute Fussball. Fuer uns unterbrach er aber seine anstrengende Taetigkeit. No Stress scheint hier das Motto zu sein! Die Menschen erinnern in ihrem Aussehen sehr an Afrika. Und genauso tropisch heiss ist es hier! Wir befinden uns ca. 360 Seemeilen westlich von Dakar. Die Strassen sind staubig, herrenlose Hunde doesen in der Sonne und Wasser ist rar. Auffaellig sind die freundlichen Gesichter und die in allen Farben angestrichenen Haeuser. Die Leute leben ueberwiegend vom Fischfang und sind mehr oder weniger arm. Fasziniernd ist, bei toller Musik in der kleinen Hafenkneipe zu sitzen und den Fischern zuzusehen, wie sie ihren Tagesfang ausbreiten, ausnehmen und filetieren. Selbst die Kinder beteiligen sich gekonnt. Leider kann man den Fisch nicht direkt am Hafen kaufen. Die Fischer verdienen mehr, wenn sie an die Restaurants verkaufen. Wir assen in einem dieser Restaurants eine riesige Platte gebratenen Fischs vom Fang des Tages. Selten haben wir so toll Fisch gegessen. Spaeter am Tag lernen wir Carlos und Elisabeth kennen. Zwei Hamburger Rentner die seit 8 Jahren hier leben. Carlos erzaehlt, wieviel sich hier in den letzten Jahren veraendert hat, zum Guten und zum Schlechten. Der Tourismus bringt einerseits viele Arbeitsplaetze, aber andererseits waechst auch die Armut bei denen, die nicht das Glueck haben, eine Arbeit zu finden. Es gibt sehr viele Analphabeten. Bei den arbeitslosen jungen Menschen machen sich Drogen, Kriminalitaet und HIV breit. Auch Volker hatte an seinem Rucksack eine kleine diebische Hand. Das Gemeinschaftliche zwischen den Menschen geht langsam verloren, sie sitzen nicht mehr wie frueher vor ihren Haustueren auf der Strasse zusammen oder feiern immer seltener gemeinsam. Und waehrend uns dieser Ort trotz allem noch wie ein Stueck Urspruenglichkeit einer fremden vergangenen Welt erscheint, baut Tui auf der Suedseite der Insel am weissen Traumstrand von Santa Maria Touristenhochburgen mit 3000 Betten! Am naechsten Abend bestellen wir uns das "Wassertaxi". Cidane, ein junger froehlicher Kapverde mit buntgestrickter Muetze und einem abenteuerlich geflickten Holzboot mit uraltem Aussenborder holte uns ab. Waehrend er uns lachend in einem Mix aus portugiesisch, spanisch, franzoesisch und englisch voller Begeisterung vollschnatterte, beteten wir, dass der hustende Motor nicht versagt und wir trocken das Ufer erreichen. Wenn wir den Rueckweg antreten wollen, dann sollen wir ihn auf Kanal 9 rufen, sagte er, als wir gluecklich wieder festen Boden unter den Fuessen hatten. Es war Freitagabend und an vielen Stellen des Dorfes wurde gegrillt. Wir trafen uns mit Carlos, Elisabeth und der Crew eines deutschen Katamarans in einer kleinen Bar, assen fantastisch gewuerzte gegrillte Haehnchenschenkel und tranken SuperBock, ein kapverdisches Bier. Es war interessant und spannend, aus dem Leben der Anderen am Tisch zu hoeren. Es war ein kurzweiliger Abend und die Zeit verging. Wir verabschiedeten uns mal wieder mit gegenseitigen Wuenschen fuer eine gute Fahrt und dann ging es wieder mit Cidane zum Schiff, der es erstaunlicherweise trotz der Dunkelheit des Ankerplatzes sofort fand. Wir gingen voll von Eindruecken ins Bett. Am naechsten Morgen war Aufbruch. Es war der 6. Dezember, Nikolaustag. So sehr ich mich auch anstrenge und den Fruehstueckstisch weihnachtlich decke, bei diesen tropischen Temperaturen will einfach keine rechte Adventsstimmung aufkommen. Also, ich versteh die Leute nicht, die Weihnachten unbedingt in die Sonne wollen. Mir fehlt an diesen Weihnachtstagen mein kaltes Deutschland mit Gluehwein und Plaetzchen, wenn man durchgefroren vom Spaziergang nach Hause kommt. Das und dass unser kleines Maeuschen nicht bei uns ist, sind zur Zeit die einzigen Wermuthstropfen, aber sie machen mir ganz schoen zu schaffen!
Um 10.30 verliessen wir Sal. Wieder folgten ein Tag und eine Nacht auf See und gegen Mittag wieder Land in Sicht - Ilha de Sao Vicente zur Linken, rechts Ilha de Santo Antao, die westlichste der kapverdischen Inseln. Wir planten, gegen 15.00 Uhr im Hafen von Mindelo auf Sao Vicente einzulaufen und machten bereits Plaene fuer die naechsten Tage, als der Motor, den wir zum Einlaufen benoetigten, 4 Seemeilen vor dem Hafen ruckte. Volker legte sofort den Leerlauf ein. Und dann sahen wir die Bescherung - eine lange Schwimmleine ist uns in die Schraube geraten. Alle Versuche, sie zu loesen, scheiterten. Sebst ein "Tauchgang" von Rudolf brachte keinen Erfolg. Die Leine hing an einem Fischertreibnetz, dass am Boden verankert war. Wir sassen fest, gefangen zwischen zwei Inseln mit steiler Felsenkueste, den Hafen schon in Sicht, das Schiff nicht mehr manoevrierfaehig! Uns blieb nur, den Notruf ueber DSC abzusetzen, nachdem uns auch eine neuseelaendische Yacht, die uns zu helfen aus dem Hafen ausgelaufen ist, nicht losschneiden konnte. Schliesslich kam aus dem Hafen der Schlepper "Carbo Verde", um uns abzuholen. Die Schleppleine war vertaeut und wir bangten, ob wir ohne Schaden frei kommen. Der Schlepper fuhr ganz, ganz langsam an und ploetzlich machte es plopp und wir waren frei! Das Seil zum Netz war gerissen, die Welle hatte standgehalten. Fuer Volker war es bitter, so in einen Hafen einlaufen zu muessen, aber wir waren doch alle froh, dass keinem was passiert war! Wir gelangten gegen 17.00 in den Hafen und machten laengsseits des Schleppers fest.Volker musste gleich alle Formalitaeten erledigen, aber alle waren ausgesprochen freundlich und hilsbereit. Gleich nach dem Anlegen kam ein Taucher, schnitt die Leine los und besah sich die Schraube. Es zeigte sich, dass wir etwa 70 Meter einer dicken Schwimmleine eingefangen hatten, offensichtlich aber ohne sichtbaren Schaden. Ein Ingenieur, der uebrigens in Rostock ausgebildet wurde, inspizierte die Maschine. Auch hier kein Schaden erkennbar. Wir waren dankbar und erleichtert! Am naechsten Morgen verlegten wir uns in den Yachthafen. Der Motor lief problemlos. Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, wurden in den naechsten Tagen einige kleinere Reparaturen am Schiff durchgefuehrt. Aber wir hatten auch Zeit, die Stadt anzusehen. Man sieht hier im Vergleich zu Sal schon deutlich mehr und v.a. junge Leute, denen es besser geht und die Geld verdienen, aber dazwischen auch sehr viel bitterste Armut. Man kann die Marina nicht verlassen, ohne von mindestens 10 Leuten angebettelt zu werden. Oder sie wollen einem Schmuck und T-Shirts zum Best Price verkaufen. Manche werden ungehalten, wenn man sie ignoriert. Obst und Gemuese, Fisch und Eier werden von Haendlern auf der Strasse sitzend angeboten. In den Supermaerkten gibt es erstaunlich viele Dinge wie bei uns, selten sind Butter, frische Wurst und Kaese.
Am ersten Abend entdeckten wir ein kleines Restaurant mit Live-Musik, das Nella`s. Bei einer Flasche Cha, dem leckeren, aber teuren kapverdischen Rotwein, lauschten wir fasziniert einem alten Kapverden - einem Meister auf der Violine. Es war fast unwirklich, so schoen waren die Toene! Mal mitreissend froehlich, mal anruehrend, sehnsuechtig und traurig. Malaquesas Costa hat mit seiner Musik ganz tief unsere Seelen beruehrt, hier in einem kleinen Restaurant mit fantastischer Kueche, in einer fremden Stadt, weit weg von zu Hause.

Und wie ein Lied am heissen Strassenrand fremdtoenig klingt mit wunderlichem Reim
und dir das Herz entfuehrt weit ueber Land
                                                                                  (H.Hesse)

Wir hatten das Glueck, ihn dreimal zu erleben,jedesmal anders, jedesmal ein Hochgenuss!
In Mindelo sieht man schon deutlicher, als es auf Sal auffiel, den europaeischen Einschlag. Bis 1975 waren die Kapverden unter portugiesischer Herrschaft, bevor sie die Unabhaengigkeit erstritten. Ausserdem hatten die Britten bis Mitte der 50er Jahre eine Dampfschiffflotte hier liegen. Und die Deutschen hatten hier 1939 einen U-Boot-Stuetzpunkt. Man sieht hier viele verschiedene Gesichter, manche eher afrikanisch, aber viele auch mit den feingeschnittenen Gesichtszuegen der Kreolen. Und es gibt viele wunderschoene Maedchen hier. Einmal mieteten wir uns ein Auto, um die Insel anzusehen. Wir fanden traumhafte Straende mit wild schaeumender See und kleine Fischerorte. Und unterwegs wieder sehr viel Armut, Unterkuenfte aus Brettern und Blech. Aber inmitten der Kargheit wie eine Oase auch sattgruene Gaerten und Palmen wo man sich Brunnen und Pumpen leisten kann.
Am 3. Advent sollte nun unser Toern Richtung Karibik weitergehen. Frischer Proviant war eingekauft, die Ziganka und auch wir mental segelbereit. Doch leider liess uns Rudolf, unser Mitsegler, einen Tag vor der geplanten Abreise sitzen und flog zurueck nach Deutschland. Nach einem Tag Fassungslosigkeit und Aerger haben wir Wolf fuer unsere Ueberfahrt gewinnen koennen. Allerdings verschiebt sich dadurch unser Toern bis Anfang Januar. Und eigentlich habe ich dadurch jetzt mein schoenstes Weihnachtsgeschenk bekommen! Wir fliegen am 18.Dezember nach Hause und feiern mit der Familie und v.a. mit unserer kleinen Suessen Weihnachten und den Jahreswechsel.
Manchmal sollen die Dinge einfach so sein.
Im Januar geht`s weiter entlang der Barfussroute!